Offener Brief von NRW-ASten an Frau Ministerin Schulze wegen der BAFöG-Bearbeitungs-Notständen
Dortmund, 29.02.2012
AStA der FH Dortmund, Emil-Figge-Str. 42, 44221 Dortmund
Offener Brief zur Situation der Studentenwerke und zu langen Bearbeitungszeiten von BAföG-Anträgen
An
Frau Ministerin Svenja Schulze
Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung
des Landes Nordrhein-Westfalen
40221 Düsseldorf
Sehr geehrte Frau Ministerin Schulze,
wir schreiben heute öffentlich an Sie, um unserer Forderung nach einer sofortigen ausreichenden finanziellen Ausstattung der Studentenwerke in NRW Nachdruck zu verleihen. Beispielhaft gehen wir nachstehend auf die Situation des Studentenwerkes Dortmund ein.
Durch die demographische Entwicklung, aber auch durch den Wegfall der Wehrpflicht, nehmen immer mehr Menschen ein Studium auf. Das ist selbstverständlich sehr erfreulich. Allerdings steigt damit auch die Zahl der BAföG-Antragssteller*innen, was wiederum einen Mehraufwand für die Sachbearbeiter*innen der Studentenwerke bedeutet. Dieser Mehraufwand kann nur durch ein Mehr an Personal aufgefangen werden. Leider wurde hier die rechtzeitige Unterstützung der Studentenwerke durch das Land deutlich verpasst!
Die durchschnittliche Bearbeitungszeit der Anträge hat in Dortmund mittlerweile eine so nicht mehr hinnehmbare Dimension von mindestens drei Monaten und mehr erreicht. Das ist ein Zeitraum, den die wenigsten der Antragssteller*innen aus eigenen finanziellen Mitteln selbst überbrücken können. Leere Kühlschränke, eingestellte Lieferungen der Energieversorger sowie Kündigungen der Wohnungen sind Bedrohungen, die für viele der Betroffenen leider sehr real geworden sind. Darunter sind auch viele Studierende, die ein Kind mit zu versorgen haben, was die Situation nochmal erheblich dramatisiert.
In Gesprächen mit dem Studentenwerk Dortmund haben wir von Mitarbeiter*innen erfahren, die viel Engagement zeigen, Überstunden leisten und auch am Wochenende arbeiten, um der Flut an Anträgen gerecht zu werden. Allerdings stoßen die Mitarbeiter*innen dabei an ihre Grenzen ohne die Antragsflut tatsächlich bewältigen zu können. Die tatsächliche Ursache ist, dass das Geld für die dringend benötigten zusätzlichen Sachbearbeiter*innen fehlt! Geld, das vom Land NRW kommen müsste!
Die Zahl der BAföG-Erstanträge ist seit 2007 um über 30 Prozent gestiegen. Gleichzeitig hat es aber keine Anpassung der Zahlungen des Landes für die Verwaltung des BAföG gegeben. Dem Bericht der Geschäftsführung des Studentenwerkes Dortmund lässt sich entnehmen, dass der aktuelle IST-Zustand auf jährlich 850 zu bearbeitende BAföG-Anträge pro Sachbearbeiter*in gestiegen ist. Die Planung des Landes sieht 500 bis 600 BAföG-Anträge pro Jahr/Sachbearbeiter*in vor. Somit bearbeitet jede*r Mitarbeiter*in der BAföG-Abteilung des Studentenwerkes Dortmund bereits über 30 Prozent mehr Anträge, als das Land bei der Festsetzung der Zahlen vorgesehen hat. Dass sich ein solches Mehr an Anträgen drastisch auf die Bearbeitungszeiten auswirkt, wird wohl keinen verwundern.
Die Einstellung drei neuer Sachbearbeiter*innen ist in Dortmund für 2012 geplant, wodurch sich die Zahl der zu bearbeitenden Anträge auf ca. 650 pro Jahr/Sachbearbeiter*in einstellen wird. Vorausgesetzt, die Zahl der Anträge bliebe konstant. Frau Ministerin Schulze - Sie wissen aber wie wir, dass die Zahl der Studierenden mit den Abi-Doppeljahrgängen zum Wintersemester 2012 und 2013 noch einmal sprunghaft ansteigen wird. Von einer Entspannung der Situation kann man also nicht ausgehen.
Wie man dem Wirtschaftsplan 2012 des Studentenwerks Dortmund entnehmen kann, sind zurzeit 16 Mitarbeiter*innen in der BAföG-Verwaltung beschäftigt. Durch die bereits erwähnten zusätzlichen drei Sachbearbeiter*innen wird die Zahl auf 19 steigen. Was man dem Bericht aber auch entnehmen kann, ist, dass die Abteilung dadurch 2012 ein Defizit von 73.000 Euro "erwirtschaften" wird. Wie das gelöst werden soll, ist uns nicht klar. Dieses fehlende Geld wird an anderen Stellen dringend benötigt. Daraus lässt sich erkennen, dass das Studentenwerk bemüht ist, die Lage zu entschärfen, mit diesem Defizit allerdings an seine Grenzen stoßen wird.
Auch aus anderen Städten in NRW haben wir von den solidarisch zeichnenden ASten bestätigende und alarmierende Zahlen gehört, was die Bearbeitung der BAföG-Anträge betrifft. Dortmund ist deswegen kein Einzelfall. Seitdem das Land NRW 2005 die direkte Finanzierung der BAföG-Verwaltung durch die Zahlung von Fallpauschalen abgelöst hat, gab es eine einzige Anpassung in 2007. Die Pauschalen haben aber von Anfang an für keine ausreichende Deckung der tatsächlichen Kosten gesorgt.
Die demographische Entwicklung ist spätestens seit Anfang der 90er Jahre bekannt, als die geburtenstarken Jahrgänge statistisch erfasst wurden. Ebenso ist seit 2004 bekannt, dass 2012 und 2013 die Doppel-Abiturjahrgänge an den Hochschulen anklopfen und entsprechend BAföG beantragen werden. Und auch die Abschaffung der Wehrpflicht ist nicht erst gestern entschieden worden. Dennoch soll eine Anpassung der Zahlungen erst Ende 2012 entschieden werden? Dann, wenn die Studentenwerke der nächsten Antragswelle ausgesetzt sind? Dafür haben wir kein Verständnis!
Sehr geehrte Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung,
als letztlich Verantwortliche für diesen unhaltbaren Zustand fordern wir Sie hiermit auf
umgehend für eine ausreichende Finanzierung der BAföG-Abteilungen der Studentenwerke in NRW zu sorgen
damit
für alle BAföG-berechtigten Studierenden Stromversorgung, die Wohnung und die Grundversorgung sichergestellt ist!
eine weitere Verschuldung der betroffenen Studierenden durch zusätzliche Kredite abgewendet werden kann!
sofort neue Sachbearbeiter*innen eingestellt werden können und dadurch die unzumutbaren Bearbeitungszeiten deutlich verringert werden!
auch die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter*innen der Studentenwerke wieder in einen normalen Rahmen gelangt!
Die höchste Dringlichkeit zur Lösung dieses Problems sollte klar sein, weswegen es auch keinen Raum für einen weiteren Aufschub gibt. Wir brauchen und fordern von Ihnen daher eine unverzügliche Lösung des Problems!
Frau Ministerin Schulze, wir zählen auf Sie!
AStA Fachhochschule Dortmund
Kai Uwe Joppich
Diese Initiative wird solidarisch unterstützt von
AStA Universität Düsseldorf
AStA Fachhochschule Aachen
AStA Universität Wuppertal
AStA Universität Köln
AStA Universität Paderborn
AStA Universität Bielefeld
AStA Hochschule Niederrhein
AStA Fernuniversität Hagen
AStA Technische Universität Dortmund
AStA Universität Bonn
AStA Fachhochschule Köln
AStA Fachhochschule Bielefeld
AStA Fachhochschule Münster
AStA Universität Münster
Vorstand das freien zusammenschlusses von studentInnenschaften (fzs) e.V.
Autor: Sandra Frielingsdorf -- 27.12.2013; 14:10:40 Uhr
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