Bei der Prüfung „nicht erschienen“ (Vermerk im Prüfungsprotokoll) und danach „mit 25 EUR dabei“, sprich gebührenpflichtig?
Stell Dir vor, es ist Prüfung und Kain geht nicht hin, und Kati, Kira und Cosima auch nicht.
Und Du? – Du hast Dich erst mal fristgerecht (!) zur Prüfung angemeldet.
Deine Uni startet (sofort) mit den Vorbereitungen. Alles soll general*instabsmäßig ablaufen: Teilnahmelisten, Klausurbereitstellung, Räume und/oder technisches Equipment, Aufsicht.
Für die Uni ist dieses (Massen-)Geschäft kein leichtes Unterfangen.
Die Prüfungsstunde bricht an. Und siehe da! Viele Plätze bleiben leer.
Die Ursachen können vielfältig sein:
1. Du bist kurzfristig erkrankt, sprich prüfungsunfähig. – Der Klassiker. Dich trifft keine Schuld. Du zeigst das dem Prüfungsamt unverzüglich an und weist das nach. Prüfungsrechtlich hast Du damit keinen Prüfungsversuch unternommen.
Hinweis: Auch vergleichbare, glaubhaft gemachte Gründe werden bei genügender Entschuldigung akzeptiert.
Wenn Du das aber so nicht entschuldigen kannst, dann weiter mit
2. Corona mit seinen/ihren Widrigkeiten hat Dich kurzfristig veranlasst, zur Prüfung nicht anzutreten, z.B. wegen widriger Vorbereitung, Betreuung, Lebensumstände, ungewohnter Prüfungsform. (Achtung! – Bei Coronaverdacht, z.B. weil Du selbst oder eine Deiner Kontaktpersonen Coronasymptome aufweist bzw. sogar positiv getestet ist, fällst Du natürlich unter die 1. Fallgruppe)
Prüfungsrechtlich steht Dir nun die Corona-Epidemie-Hochschulverordnung von NRW (CE-HSVO) bei. § 7 Abs. 4 S. 2 bestimmt nämlich: „Der Rücktritt von einer Prüfung ist bis zu ihrem Beginn zulässig; das Versäumnis einer Prüfung ist unschädlich.“ Aber Achtung! – Das gilt nur, wenn die Uni nicht davon abweichende Regelungen erlassen hat. Ansonsten weiter mit
3. Du hast es „verpeilt“ (verpennt, verwechselt, vergessen, verdrängt, verflüchtigt, verrückt oder was auch immer vermaledeit passiert ist). – Hier hast Du die Nichtteilnahme an der Prüfung zu vertreten. Prüfungsrechtlich wird das gemäß der jeweiligen Prüfungsordnung regelmäßig als nichtbestandener Prüfungsversuch gewertet. Nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 4 S. 2 CE-HSVO (s.o. Punkt 2) wäre aber auch hier das Versäumnis „unschädlich“, Dein Kollateralnutzen. – Glück gehabt.
Es stellt sich zudem die Frage, ob Du für Dein Fernbleiben von der Prüfung Gebühren zu zahlen hast. Dazu regelt § 3 S. 1 Nr. 1 Gebührenordnung der FernUni (GebO):
„Die FernUniversität erhebt: 1. eine Kostenerstattung von pauschal 25 €, wenn die zu einer Prüfung oder Klausur ordnungsgemäß angemeldete Person an dieser nicht teilnimmt. Die Gebühr entfällt, wenn die Person … ihr Fehlen nicht zu vertreten hat …““
Generell ist zu erwarten, dass Deine Nichtteilnahme an der Prüfung, die prüfungsrechtlich als entschuldigt gewertet wird, auch gebührenrechtlich für Dich ohne Folgen bleibt (Stichwort „Einheitlichkeit des Rechtssystems“).
Fallgruppe 1 hat das Versäumnis auf jeden Fall nicht zu vertreten. Fallgruppe 2 aber auch nicht, eben wegen Corona. Und genau das bezweckt die CE-HSVO. Es ist egal, ob Du nur wegen eines „unguten Gefühls“, eines konkreten Ansteckungsrisikos oder wegen einer im Nachhinein nachgewiesenen Coronainfektion oder aufgrund sonstiger Beeinträchtigungen im ursächlichen Zusammenhang mit Corona nicht zur Prüfung erscheinst?
Die CE-HSVO mildert die sonst damit verbundenen, für Dich nachteiligen Folgen ab bzw. verhindert sie völlig. Diese entlastenden Regelungen sollen Dich zudem ermutigen, trotz der coronabedingten „Herausforderungen“ (§ 1 CE-HSVO ) an Prüfungen möglichst teilzunehmen versuchen. Die Entlastung hat dann aber auch in Bezug auf die Erhebung einer Verspätungsgebühr zu erfolgen. Oder will die FernUni tatsächlich in jedem Einzelfall feststellen, ob die pandemische Situation auch wirklich ursächlich dafür war, dass Du nicht zur Prüfung erschienen bist und so das Versäumnis nicht zu vertreten hast?
Fallgruppe 3 hat eigentlich das Fehlen zu vertreten, darf sich aber warum auch nicht ebenfalls auf § 7 Abs. 4 S. 2 CE-HSVO berufen, da der Wortlaut eindeutig ist, wie schon gesagt Dein Kollateralnutzen.
Abschließend ist noch die grundsätzliche Frage aufzuwerfen, ob es für diese Art von Verspätungsgebühren überhaupt eine Rechtsgrundlage gibt.
§ 4 Abs. 1 Nr. 2 Hochschulabgabengesetz von NRW (HAbgG) regelt dazu abschließend: „Anlässlich …2. der verspätet beantragten Einschreibung oder Rückmeldung, des verspäteten Belegens, der nachträglichen Änderung des Belegens sowie der verspäteten Beitrags- oder Gebührenzahlung wird eine Gebühr erhoben.“ – Eine Verspätungsgebühr für das unentschuldigte Fernbleiben von der Prüfung wird hier also nicht erwähnt.
Das Gebührengesetz NRW (GebG) selbst beinhaltet keine Ermächtigung zum Erlass von GebO der Hochschulen: Das macht das HAbgG. Es ermächtigt zum Erlass von GebO für die im HAbG aufgeführten Gebühren, also im Gegensatz zu § 3 S. 1 Nr. 1 GebO ohne eine Verspätungsgebühr für die Nichtteilnahme an einer Prüfung. Das ist auch nachvollziehbar: Der Prüfungsanspruch ist integraler Bestandteil eines Studiums, das absolviert werden soll. Er ist daher nicht mit einer besonderen Gebühr zu belegen. Das schließt ein, dass man selbst sehr kurzfristig und ohne Angabe von Gründen sich wieder abmeldet oder erst gar nicht erscheint. Vor nachteiligen prüfungsrechtlichen Folgen bewahrt das unentschuldigte Prüfungsversäumnis allerdings nur, solange und soweit die CE-HSVO Regelungen der einzelnen Prüfungsordnungen verdrängt.
Also angenommen, Du hast einen Gebührenbescheid über 25 EUR wegen Nichterscheinens zur Prüfung erhalten. Was tun?
Du kannst Widerspruch einlegen und Gründe darlegen, die das Versäumnis möglicherweise entschuldigen. Du kannst Dich aber stattdessen gleich auf § 7 Abs. 4 S. 2 CE-HSVO berufen (s.o.).
Zudem zweifelst Du zu guter Letzt die Rechtmäßigkeit dieser Art von Verspätungsgebühr mit Verweis auf § 4 Abs. 1 Nr. 2 Hochschulabgabengesetz von NRW (HAbgG) überhaupt an (s.o.).
Zusätzlich ist zu empfehlen, mit dem Widerspruch zugleich einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (des von Dir angegriffenen Verwaltungsakts, dem Gebührenbescheid) zu stellen.
Denn wisse: Dein Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung. Und wer verspätet zahlt, dem droht – na? - eine Verspätungsgebühr gemäß GebO, und das vollkommen rechtmäßig (s.o.).
AStA der Studierendenschaft der FernUniversität in Hagen
Autor: Annette Stute -- 28.02.2021; 15:35:50 Uhr
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